Felizienthal-Forschung

Reisen nach Polen und in die Ukraine

Schon lange zog es mich in die Heimat meiner Vorfahren. Viele private Verpflichtungen und auch der „Eiserne Vorhang“ hinderten mich daran. 1992 war es endlich soweit. Ich schloss mich einer Reisegruppe aus Österreich an. Die Fahrt ging über Ungarn in die ukrainische Grenzstadt Uschgorod. Hier gab es einen Tag Aufenthalt mit Besichtigungen und Folklore. Dann kam der ersehnte Tag – die Fahrt nach Klimiec und Felizienthal. Stunden zog sich die Strecke und Stunden wieder zurück. Es blieb somit kaum Zeit in den Dörfern. In Klimiec suchte ich mein Elternhaus. Ein alter Ukrainer konnte sich an meinem Vater erinnern und er zeigte mir das Haus. Sein baulicher Zustand war erbärmlich. Doch es war für mich sehr wichtig, das Haus meiner Eltern zu sehen. Schnell verrann die Zeit und es ging wieder ins Hotel zurück.
Einige Reisende hatten aber vorgesorgt und sich einen Kleinbus mit Fahrer gemietet. So hatte ich auch am nächsten Tag die Gelegenheit nochmals nach Felizienthal und Umgebung zu kommen. Ich sammelte Eindrücke über diese Dörfer, genoss die Gastfreundschaft der Ukrainer und dachte: Hier bin ich zuhause.

Es folgten noch drei weitere Reisen und zwar 2001, 2005 und 2009. Diese organisierte ich selbst. Ich charterte den Bus mit zwei Fahrern und die Anmeldungen der Reiseneugierigen ließen nicht lange auf sich warten. Die Route ging jetzt immer über Polen, dort waren die Zwischenübernachtungen, die Weiterfahrten nach Lemberg oder nach Slavsko in den Karpaten.
In Polen besuchten wir auch „unsere“ Dörfer, wo die Deutschen 1940-1945 angesiedelt waren.
Jede Fahrt war erlebnisreich und die Mitfahrer, die sich in vielen Fällen gar nicht kannten, wuchsen zu einer Familie zusammen. Auf der langen Fahrt stellte sich bald heraus, dass jeder mit jedem irgendwie verwandt war. Stellvertretend für alle Fahrten spricht der nachfolgend aufgeführte Reisebericht.

Galizienfahrt 5. – 11. Juni 2009

Runde 3800 Kilometer legte unser Bus ab Plaidt über Polen in die Ukraine zurück. Die Fahrt in die alte Heimat unserer Vorfahren war ein geglücktes und unvergessliches Erlebnis. Dank sei deshalb auch unseren beiden Busfahrern Gregori und Kaslek.

Beim letzten Heimattreffen 2008 diskutierten wir die Möglichkeit einer Reise nach Galizien. Landsleute sprachen mich immer wieder an und zudem gab es einen Grund, nach Felizienthal zu kommen – nämlich die Einweihung der neu erbauten Kirche, an der sich viele unserer Leute mit Geldspenden beteiligt hatten.
Die Umfrage, wer denn mitreisen wolle, war niederschmetternd. Kaum jemand hatte Interesse. Doch bei Kontakten mit Galiziendeutschen wurde mir die Bitte nach einer Reise immer wieder vorgetragen.
Ich wollte es wagen und nahm Verhandlungen mit dem Reisebüro Kaufmann in Plaidt auf, das spezielle Reisen in die Ukraine durchführt. Pfarrer Martin Klein übernahm die Kontakte zu Pfarrer Ruslan aus Smorze.
Nun verschickte ich das Angebot mit einer Anmeldefrist an viele Adressaten, aber noch immer war die nötige Teilnehmerzahl nicht erreicht. Erst in den letzten Tagen kamen mehr als die erforderlichen Anmeldungen an.
29 Personen wollten also mit mir die lange Reise in unsere alte Heimat Galizien wagen.

Am Freitag, 5. Juni, ging es in aller Frühe ab Plaidt los. In Frankfurt, Gera und Dresden stiegen Reiseteilnehmer zu. Dann passierten wir die Grenze zu Polen und legten eine Pause ein, denn Klara Barth hatte für die Fahrt Schoidl gebacken und überraschte uns mit dieser Leckerei.
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Südlich von Kattowice in der Kleinstadt Pszczyna im Hotel Imperium übernachteten wir. Nach einem reichhaltigen Frühstück ging es weiter in Richtung Galizien. Die Grenzformalitäten dauerten eineinhalb Stunden und unser nächstes Ziel war Lemberg. Leider war die Zeit für einen kleinen Abstecher in diese altehrwürdige Stadt nicht möglich. Wir hatten ja noch 120 Kilometer Landstraße vor uns. Wir folgten der gut ausgebauten Landstraße bis hinter Skole und bogen dann nach links in Richtung Slavsko ab. Wörtlich schlagartig ging es nun weiter. Die Straße war übersät mit tiefen Schlaglöchern und mitunter in Schrittgeschwindigkeit und hereingebrochener Dunkelheit erreichten wir unser Hotel Karpatenperle in Slavsko. Hier erwartete uns schon Pfarrer Klein und sein Vater, die vorab hier angereist waren.
Am nächsten Tag, es war ein sonniger Tag und zudem das Pfingstfest der Ukrainer, fuhren wir nach Felizienthal. Am Ortseingang warteten der Bischof und eine Zahl von Priestern auf uns. Sie begleiteten uns zur neuen Kirche, die stolz auf der kleinen Anhöhe stand, als wollte sie Ausschau nach uns halten. Unsere Reisegruppe wurde bis vor die Stufen der Kirche geführt und mit Liedern und Gedichten der Ortsjugend in Empfang genommen. Stellvertretend für die Gruppe überreichte der Bischof Brot und Salz.
Wir schritten langsam die Stufen zur Kirche empor und übertraten die Schwelle in den von Licht durchfluteten Raum. Es war ein besonderer Moment. Ganz anderes als die alte Kirche umhüllte uns die ganz in Holz ausgestaltete und nach Firnis duftende neue.
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Es begann die feierliche Zeremonie der Einweihung. Der Bischof mit seinen Priestern, Ehrengäste, Dorfbewohner und unsere Reisegruppe umschritten die Kirche. Wieder im Innenraum angekommen wurde der Altar mit Wasser gereinigt, im Gedenken des Blutes Christi mit Wein übergossen und anschließend mit Öl gesalbt, danach mit geweihten Tüchern bedeckt.
Die Zeremonie mit dem Gesang des griechischen Ritus war sehr beeindruckend und unvergesslich. Die Kommunion wurde als kleine in Wein getunkte Brotstücke gegeben. Der Bischof entnahm sie dem Kelch mit einem Löffel und führte sie zum Munde des Gläubigen.

Ich dachte viel an die vergangene Zeit. An dieser Stelle waren meine Eltern getauft und gaben sich das Ja-Wort wie fast alle unserer Vorfahren. Ich dachte an die alte Kirche, die im Jahre 1856 mit Mühen und Entbehrungen von den damaligen deutschen Siedlern erbaut wurde und die am 22. September 2006 gänzlich abgebrannt war.

Nach zwei Stunden war der Einweihungsgottesdienst beendet. Der Bischof überreichte Pfarrer Klein eine Ikone mit Widmung als Dank für die Spende zum Wiederaufbau der Kirche.
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Nun waren wir zum Essen und Feiern in ein größeres Bauernhaus in der Nähe eingeladen. Über grobe Dielen geführt fanden wir Platz in zwei großen Räumen. Die Tische waren so reichlich gedeckt, dass es kaum noch Platz gab. Rotbackige Frauen kochten nebenan in einer heißen Küche; Töpfe und Pfannen auf einem alten großen Herd wurden hin und her geschoben. Es wurde probiert und serviert.
Wir saßen an den langen Tischen und aßen von den Köstlichkeiten ukrainischer Kochkunst. Es schmeckte hervorragend und die Auswahl war so groß, dass wir nicht von allem probieren konnten. Zudem flossen Wodka und Wein. Junge Priesterseminaristen sangen dazwischen sangen dazwischen Volksweisen. Sie Stimmung war heiter und manchmal melancholisch. An unsere vorgesehene Besichtigungstour war nicht zu denken. Den ganzen Nachmittag feierten wir und es war keinen Moment langweilig.
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Klimiec, ukrainische Kirche

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Tucholka, alte ukrainische Kirche

Der nächste Tag führte uns zu unseren Dörfern. Der Bus erklomm zunächst den Lysaberg zwischen Tucholka und Klimiec, vorbei an den alten Fundamenten des Sägewerkes, über die Brücke des Stryj-Flusses und über die Serpentinen hinauf zu der ehemaligen alten Grenze zu Ungarn. Nach wie vor stehend dort die zwei Hotel-Ruinen. Im Blick zurück liegt im Tal Klimiec und links davon einige der restlichen Häuser von Karlsdorf.
Wir besuchten Klimiec und Tucholka, Annaberg, Felizienthal und Smorze und hatten Kontakte zu den Einheimischen besonders zu Kindern, die gerne die mitgebrachten Süßigkeiten und Schulsachen entgegen nahmen.
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Tucholka, baufälliges deutsches Haus

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Smorze, ukrainische Kirche

Marianne Schröppel und Wolfgang wagten im Taxi einen besonderen Trip nach Ludwikowka, das zwar nicht weit weg liegt, aber über die Berge nicht erreichbar war. So musste ein Umweg über Stryj genommen werden.
Am Abend saßen wir noch im Hotel zusammen und ließen uns von einer Folkloregruppe begeistern, die voller Hingabe mit Instrumentalmusik und Gesang alte Weisen vortrugen.
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Die ukrainische Folkloregruppe tragen Lieder vor und erschweren uns den Abschied aus der Heimat unserer Vorfahren

Am Morgen brachen wir in Richtung Polen auf. Bei der Einreise nach Polen gab es eine Wartezeit von zwei Stunden. Wir mussten den Bus zur Kontrolle mit unseren Koffern verlassen, doch dann konnten wir zügig auf guten Straßen und Autobahnen Polen bis nach Pszczyna durchqueren. Auffallend waren die sauberen Straßen. 100 Meter deutsche Autobahn sind schmutziger als 500 Kilometer Autobahn in Polen!

Im ehemaligen Kreis Saybusch -heute Ziewic- besuchten wir „unsere“ Dörfer, in denen die deutschen Umsiedler aus Galizien von 1940 bis 1945 angesiedelt waren. Der Bus quälte sich durch den Berufs- und Baustellenverkehr und es waren lange Strecken zu bewältigen. So war es kein Wunder, dass der Zeitplan nicht eingehalten werden konnte. Flexibel wie unsere Gruppe war kamen Taxen zum Einsatz und mit etwas Verspätung trafen wir uns alle an der verabredeten Stelle.
Viele Reisende kamen jedoch in den Dörfern nicht zurecht. Nach 65 Jahren Veränderungen war das nicht verwunderlich. Manche hatten Glück und fanden ihr Haus und Lilo Reden konnte bei dem freundlichen und hilfsbereiten Pfarrer in Rajcza eine Kopie des Geburtseintrages ihrer Schwester erlangen – für die Familie ein seltenes Dokument.
Beim Abendessen im Hotel saßen wir noch etwas zusammen und am nächsten Tag ging es weiter nach Deutschland, wo wir alle gesund und wohlerhalten ankamen.

Es war eine sehr schöne Reise mit unvergesslichen Erlebnissen. Ich bedanke mich als Reiseleiter bei der Gruppe, aus der es nie Kritik gab. Jeder sorgte sich um jeden und bei unverhofften Änderungen des Ablaufes waren alle sofort einverstanden.
Ich bedanke mich auch für die reichliche Spende zur Galizienforschung. Sie ist eine Wertschätzung meiner Felizienthal-Forschung, die jedem Interessierten zur Verfügung stehen wird.

Ich halte alle in guter Erinnerung und verbleibe mit lieben Grüßen.
Euer Reiseleiter
Siegfried Grüdl